Das LunaCenter als Stadtteil-Seismograph.

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Wie ein Stadtteil tickt, lässt sich nicht zuletzt an seinen Einkaufszentren beobachten. Oft funktionieren diese Kaufhallen wie kleine Abbilder ihrer Umgebung. Ins Alstertal Einkaufszentrum in Poppenbüttel zum Beispiel kommen die Vorortbewohner gern, weil man hier für ein Poloshirt vielleicht etwas mehr bezahlen kann als woanders. Freiwillig mehr zu bezahlen ist eine sehr hanseatisch zurückhaltende Art, anderen zu zeigen, dass man genug Geld hat, um sich über Preise keine Sorgen zu machen.

Das Mercado in Ottensen verfügt über einen Indoor-Markt, wo man seine Lebensmittel in Öko und Bio bekommt und dabei ein Schwätzchen hält wie früher auf einem Dorfplatz. Hier kann man selbst Hamburgs Bürgermeister beim Einkaufen zugucken. Zumindest konnte man das, bevor er Bürgermeister Hamburgs und damit Herr über das Gefahrengebiet wurde.

Auch in Wilhelmsburg entsteht ein neues Einkaufszentrum. Noch ist es nicht fertig. doch schon jetzt sagt ein Besuch viel über die Leute aus, die hier wohnen. Kaufkraft ist das Problem. Am S-Bahnhof Wilhelmsburg ein Geschäft zu eröffnen, das will gut überlegt sein. Mancher entscheidet sich nach reiflicher Überlegung dagegen.

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Unser Einkaufszentrum hat eine Vorgeschichte. Vor einigen Jahren gab es mal ein Karstadt in Wilhelmsburg, ein hässlicher Betonklotz, umringt von ein paar kleinen Klötzchen, in denen das Postamt, der Rossmann, die Apotheke, das Reisebüro und ein paar Dönerimbisse untergebracht waren. Als das Siechtum des Karstadt-Konzerns begann, war die Filiale am S-Bahnhof Wilhelmsburg eine der ersten, die nicht überlebten. Stattdessen bekamen wir einen Marktkauf, der unseren Stadtteil mit Käse und Fleisch, Toastern und Schüsseln, Unterhosen und Schnaps, Flachbildschirmen und so weiter versorgt.

Als dann die Stadt Hamburg über die Elbe springen wollte, entschloss sich ein Investor, hier das LunaCenter zu bauen, ein richtiges schönes Einkaufszentrum. Kein Konzern wohlgemerkt, keine ECE oder so hatte den Mut für dieses geschäftliche Risiko, vielmehr ein Herr Hans-Jürgen Schneider.

Das neue LunaCenter sollte aus dem alten Wilhelmsburger Einkaufszentrum entstehen. Der hässliche Betonklotz sollte einfach von moderner Architektur umbaut werden. Um das Ganze noch spannender zu machen, wurde der Umbau so geplant, dass die Läden nicht schließen mussten. Rossmann, der Bäcker, die Ost und der Asia-Imbiss zogen in Container um. Die kleinen Betonklötzchen wurden abgerissen, der Neubau begann. Damals hatte ich ein paar Fotos hier online gestellt.

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Im Frühjahr 2014 wurde ein Teil des neuen Gebäudes bezugsfertig. Rossmann zog als Erster ein, die Bäckerei-Kette „Nur Hier“ eröffnete ein kleines Café mit Panorama-Ausblick auf die Baustelle. Danach kamen Läden, wie sie typisch sind für Wilhelmsburg: Handyläden, ein Reisebüro, eine Änderungsschneiderei, eine Halal-Fleischerei, eine Fahrschule, ein Goldschmuck-Geschäft, ein Friseur mit dem interessanten Namen „XL-Friseur“, ein Schuhgeschäft, eine Reinigung, eine Eisdiele, ein Fachgeschäft für Hörgeräte und schließlich eine Apotheke. Zwei Tabak- und Lotto-Kioske stellen die Versorgung mit Zigaretten, Zeitschriften und Lottoscheinen sicher. Natürlich darf auch ein Nagelstudio nicht fehlen. Im Entstehen sind weitere Imbisse: Döner, Indisch und Asiatisch. Kik, Tedi, der Blumenstand und die Budnikowsky-Filiale befinden sich mit dem Marktkauf im alten Teil, also im zentralen Betonklotz. Einige Läden sind noch leer, Herr Schneider kümmert sich intensiv um die Vermietung. Ein weiterer Abschnitt ist noch Baustelle. Ende 2014 soll alles fertig sein, der Investor ist optimistisch.

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Wie schwer es für das LunaCenter ist, ein bisschen Glanz nach Wilhelmsburg zu bringen, wurde mir erst klar, als die Lokalpresse die Nachricht feierte, C&A würde hier eine Filiale eröffnen. An manchen Orten ist der Textilmarkt mit dem C und dem A wegen seines Billig-Images nicht sehr willkommen, hier wird er als Weltmarke gesehen, die unseren Stadtteil aufwerten kann. Aber zu früh gefreut, auch C&A hat noch einmal scharf nachgerechnet und kommt jetzt doch nicht.

Man hört ja viel von Gentrifizierung und davon, dass neue kaufkräftige Zielgruppen die Habenichtse verdrängen. Im LunaCenter am S-Bahnhof Wilhelmsburg ist davon bisher noch wenig zu spüren. Zum Glück?

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30. April 2014